Ich erreiche den Flughafen Arlanda und von Einreisekontrollen aufgrund von Corona ist keine Spur. Offiziell sollte man nur aus beruflichen Gründen einreisen können und ich hatte mir schon eine schöne Hintergrundgeschichte als Naturfotograf zurechtgelegt.
Christian schreibt mir, dass er mich doch nicht abholen kann, sondern noch in Stockholm in Outdoor Läden auf der Suche nach seiner Bestellung irrt. Er markiert einen Ort auf der Karte nahe des Flughafens, wo ich schonmal das Zelt aufschlagen soll.
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Ich wandere einsam in der Peripherie des Geländes, wo niemand ohne ein Auto unterwegs wäre. Ich finde den Ort, aber durch die nahe Straße und die Landebahn ist es dort sehr ungemütlich und ich beschließe, bis zum nächsten Ort, wo es einen einladenden See gibt, per Anhalter zu fahren. Es dauert ungefähr zwanzig Minuten, bis mich eine Dame mitnimmt. Es stellt sich heraus, dass sie aus Russland stand, aus Rostov am Don, da sie trotz fehlender Englischkentnisse auf den russischen Sticker auf meinem Rucksack anspricht.
Mit Händen und Füßen gebe ich ihr zu verstehen, wo ich rausgelassen werden möchte und verabschiede mich mit herzlichem Dank in meinem dürftigen Russisch.
Die Stadt liegt zu meiner Linken, der See zu meiner Rechten. Ich habe keine Vorräte, außer dem Sandwich aus dem Flugzeug und etwas Wasser. Aber ich will nicht extra in die Stadt, denn das Gepäck wiegt schwer auf meinen Schultern.
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Am See und zwischen Feldern finde ich eine geeignete Stelle für das Zelt und habe genügend Brennholz, um die ganze Nacht durch das Feuer zu halten. Christian kommt jedoch nicht und ich lege mich schlafen.
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Am nächsten Morgen erhalte ich seine Nachricht mit der Position in Knivsta. “Komm und finde mich” steht dabei. Ich wandere in den Ort, nutze die Chance Geld abzuheben und besuche den Supermarkt, an dem er sein soll. Der live Standort ist abgelaufen, er ist nicht zu finden und am Telefon erreiche ich ihn auch nicht. Meinen Ärger schlucke ich in einem Frühstück herunter. Ich teile ihm meine Position mit. Dann erhalte ich plötzlich Nachricht mit einer anderen Position und der Aufforderung, ich möge doch zu ihm kommen – was ich nicht tue. Nach einiger Zeit kommt Christian zu mir, verärgert, dass ich seinem Wunsch nicht nachgekommen bin, wo er doch die ganze Nacht durchgemacht hat. Er scheint wenig davon beeindruckt davon zu sein, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet.
Letztendlich erklärt er mir, dass er noch bei einem Couchsurfer namens Steve war und seine Sachen aussortierte. Bei der Planung mit Steve verlor er viel Zeit und erst gegen Mitternacht machte er sich auf den Weg, um mit frühen Bussen bis nach Knivsta zu kommen. Einen Teil lief er und erreichte den Ort erst in der frühen Morgenstunde. Der Start verlief nicht gut bei uns, doch der Tag sollte schön werden. Wir brechen auf dem Upplandsleden auf, einem Fernwanderweg im Land rund um die Stadt Uppsala (Uppsala län).
Dort würden wir zwei Wochen laufen, auf den Wanderweg Gästrikeleden wechseln und letztlich den Weg nach Norden einschlagen, bis unsere Wege sich teilen, ich nach Hause zurückkehre und Christian zu Fuß zum Nordkapp aufbricht.
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Christian Adeler und ich lernten uns auf Couchsurfing kennen. Er war auf dem Weg von Waldshut zu Fuß zu den olympischen Spielen in Tokio und schaffte es bis nach Almaty in Kasachstan, bis Corona ihn einholte und die blockierten Grenzen die Weiterreise unmöglich machten. Er wählte eine neue Route und beschloss seinen Weg in einem besonderen Finale über das Nordkapp bis nach Süddeutschland zu Fuß zuende zu bringen.
Leider sollte ich erst später feststellen, dass wir uns weder verstehen und er sogar kriminell ist.
Wir können uns nicht über das Wetter beschweren. Es ist sehr warm und die Sonne strahlt in voller Stärke vom Himmel. Neben meiner ganzen Kamera- und Dronenausrüstung ist mein Gepäck so schwer, weil ich vor allem warme Kleidung eingepackt habe. Von allen Seiten hieß es “es ist kalt in Schweden, es ist noch früh in Jahr”, “der Wind ist extrem kalt”.
Stattdessen bekomme ich einen Sonnenbrand.
Das T-Shirt mildert etwas die Wärme, aber für meine gefütterte Trekkinghose gibt es keine Alternative.
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Abends, nach nur 12 Kilometern, aber einem späten Aufbruch und einer langen Pause zum Nickerchen, erreichen wir einen kleinen Ort namens Huderby, an dessen Waldrand wollen wir unser Zelt aufschlagen. Unser Wasser ist aufgebraucht, daher fragen wir an einem nahen Haus. Dort sitzt ein Paar beim Abendessen auf der Veranda und ist natürlich bereit, uns Wasser zu geben. Wir erklären auch unsere Hintergründe und erhalten auch die Bestätigung, dass das campieren in der Wildnis zum schwedischen Grundrecht gehört und die Wiese hinter dem Haus, die nicht privat ist, von uns natürlich genutzt werden kann.
Also schlagen wir dort unsre Zelte auf und ich lasse die Drone kreisen. Dann mache ich wieder ein Feuer, während Christian dem Paar noch zwei Bier abschwatzen will. Dabei ist er auch erfolgreich. Nachdem wir kurz am Feuer sitzen kommt das Pärchen selbst mit gekühltem Gin Tonic vorbei und leistet uns Gesellschaft. Es stellt sich heraus, dass sie Australierin mit einer großen Liebe zu Deutschland und er Schwede aus dem Norden ist. Beide arbeiten im nahen Uppsala. Wir genießen den warmen Abend und die helle Nacht und gehen erst spät schlafen.