Wir fahren mit unserem Wagen am nächsten Morgen weit in die Berge bis zum Dorf Umoljani. Von dort soll unsere Wanderung nach Lukomir beginnen und dort wollen wir auch übernachten, um am nächsten Tag den Rückweg anzutreten. Es ist noch früh und wir sehnen uns nach einer Stärkung vor der Wanderung. Wir entdecken ein Haus, das eine Gaststädte sein könnte. Die alte Frau dort gerät fast in Panik bei unserem Besuch. Sie schlägt Kaffee, Ushtitse und Kalmak vor. Wir wissen zwar nicht, was das ist, aber wir stimmen zu.
Schnell scheint sie ihre Familie angerufen zu haben, denn umgehend sind ein paar junge Männer da, die uns den Kaffee bringen und die Tische säubern. Die Vorbereitungen dauern und es ist fast Mittag, als wir die bosnischen Spezialitäten kennenlernen. Bei Ushtitse handelt es sich um fritierte Quarkbällchen im Großformat. Kalmak ist ein klebriger Rahm, der dazu gereicht wird. Zusammen dürfte diese Mahlzeit etwa eine Million Kalorien haben. Aber die brauchen wir auch für die heutigen Strapazen.
Der Weg führt zuerst steil den Berg hinauf. Frauen auf Berghütten möchten uns lokale Kräuter und selbstgestrickte Socken verkaufen.
Manchmal ist unsere Strecke nicht ganz erkenntlich, aber Chris hat mit GPS-Koordinaten vorgesorgt.
Der Weg ist abwechslungsreich, nur mein Knöchel ist nicht glücklich über die Belastung. Aber da muss er durch.
Wir machen zahlreiche Pausen, in denen ich die Drone kreisen lasse, wir einen Apfel verspeisen und Uwe uns mit dem Raki von Ivanas Mutter aus Stolac versorgt.
Von schlechtem Wetter ist wieder nichts zu sehen. Wir haben großes Glück. Nach einigen schönen, aber sehr anstrengenden Stunden gelangen wir auf der anderen Seite des Berges nach Lukomir. In einer Berghütte werden wir übernachten. Der ganze Ort ist im Umbau. Unter der Aufschrift „abgelegenes natürliches Bergdorf“ wird in diesem Moment jeder einzelne Schafstall zu einer Touristenunterkunft umgebaut.
Die Landschaft ist herrlich und die Authenzität des Ortes noch erkennbar, aber ich sehe eine Zukunft, in der auch der letzte Schuppen durch einen Souvenierladen und der letzte Pferch durch einen Busparkplatz ersetzt wurde.
Neben uns gibt es noch ein paar andere wandernde Touristen, aber gar nicht mal so viele. Die Bosnier sitzen mit uns im Gemeinschaftsraum der Hütte und genießen die Hitze des Ofens, während es draußen schon klirrend kalt geworden ist.
Wir packen nochmals unsere Zigarren raus und tauschen eine davon gegen drei lokale Becher voll Raki für uns. Das Essen, das der Herbergsvater für uns in seinem Holzofen vor dem Haus zubereitet, ist vorzüglich.
Im gleichen Raum finden wir uns morgens früh auch wieder zu Ushtitse, Kalmak und Kaffee ein, bevor wir den Berg über eine andere Richtung überqueren.
Der Weg ist einfacher als am Vortag, aber mein Knöchel verweigert jegliche Kooperation, weswegen es länger dauert. Aber wir haben Zeit.
Wir liefern Aylin wieder in Sarajewo ab und versprechen, den Kontakt zu halten.
Ich bin von ihrer Idee, das Arbeitsleben aufzugeben und mit Freiwilligenarbeit durch Europa zu reisen, sehr angetan.