Zurück zu Die Datscha in Nirgendwo…
5. September 2017
In der Stadt haben wir auch gleich unser nächstes Date, und zwar mit Polina. Sie ist auch eine Couchsurferin, konnte uns aus zeitlichen Gründen nicht beherbergen, aber immerhin abends treffen. Wir gingen in ein Irish Pub und erfuhren von der jungen Studentin viele Dinge von Russland. In Sankt Petersburg hat Putin nicht viele Freunde. Diese Stadt ist ungewöhnlich weltoffen und modern. Offen gelebte Homosexualität ist hier kein Problem. Medien kann man dennoch nirgends trauen und die Gesetze in Russland sollen furchtbar sein und werden von der Korruption ad absurdum geführt. “In Germany you have rules that make sense. In Russia you have rules to break them”.
Wir lernen auch, dass man sich nicht durch das uns bekannte „Nastrowje“ zuprostet, sondern das ganze auf russisch „Sastrowje“ heißt. Ersteres stammt aus Polen und hat erfolgreich in unseren Köpfen den russischen Trinkspruch verdrängt. „I love the German language“ hörten wir nun auch hier von Polina und waren nochmals überrascht.
Am nächsten Tag begannen wurden wir nicht noch einmal von einer überraschenden Einladung von unserem Plan abgehalten und liefen zur berühmten Eremitage, um dieses Schloß und Museum zu besichtigen. Dieselbe Idee hatten jedoch ebenfalls hunderte andere Menschen und die Schlange stand schon vor Öffnung der Tore bis weit auf den Platz. Wir wunderten uns darüber Stunden anstehen zu müssen, während unser Reiseführer davon schwärmte, dass diese Zeiten lange vorbei sind und jeder Tourist nun dank der Ticketautomaten rasch in dem großen Museum drin ist. Aufgrund eines technischen Problems war diese Option an diesem Tag jedoch nicht gegeben. Das Warten war richtig eklig. Neidisch blickten wir auf die eine oder andere Reisegruppe, die an der Schlange vorbei durch den Eingang verschwand. Wir erlebten jedoch eine positive Überraschung, als wir endlich am Kassenhäuschen stand. Der Eintritt war heute ausnahmsweise frei – und wir sparten umgerechnet 25 Euro pro Person.
Ich hatte einmal viele Stunden fasziniert im Louvre verbracht und man musste mich hinauszerren, als es abends schloss. Die Eremitage sollte dreimal soviel Ausstellungsstücke haben. Katharina die Große ließ das Schloss bauen und sammelte schon zu ihrer Zeit große Mengen an Kunst. Neben vielen Werken der berühmtesten Künstler der Renaissance ganz Europas finden sich auch legendäre Werke, die mit der russischen Zarenfamilie zusammenhängen, wie zum Beispiel einige der legendären Fabergé-Eier. Aber auch viele historische Stücke, Steintafeln und Büsten aus dem babylonischen Palmyra oder Sarkophage aus Ägypten finden sich hier im Untergeschoss.
Bekanntheit haben auch die Katzen der Eremitage. Da viele Ausstellungsstücke damals beliebte Nahrung von kleinen wärmeliebenden Nagetieren wurden stellte man ein Regiment Katzen ein, um die Geschichte der Menschheit zu verteidigen. Durch bessere und modernere Abwehranlagen wurden die Katzen jedoch arbeitslos, aber nicht entlassen. Sie streichen immer noch durch die Gewölbe und im Hof kann man sehen, wie man sie noch voller Dankbarkeit kugelrund füttert.
Es gab noch eine Kleinigkeit, die wir in Sankt Petersburg zu erledigen hatten: den UAZ Laden besuchen. Der ursprüngliche Grund für unsere Reise. Wir konnten natürlich keine Autoteile in unserem Gepäck transportieren, aber wir wollten mal sehen, was es alles gibt; außerdem brauchte unser Wagen einen neuen Motor, da es den alten noch in Bayern zerlegt hatte.
Wir sahen viele interessante Winden, Getriebe und Assets zum Anbau. Der UAZ wurde wirklich geliebt und wie ein Legoauto von Liebhabern beliebig ausgebaut. Man rief einen Typen, welcher der einizige war, der Englisch sprach, damit wir erklären konnten, warum wir deutsche Touristen und hier in diesen unwirtlichen Rand von Sankt Petersburg verirrt hatten.
Entgeistert blickt der Mann uns an. Wir hatten mehr Begeisterung erwartet. „You have UAZ in Germany? Whhyyyyy??? Russian cars are not good. You have Mercedes, Audi, BMWäääää!“ Tja, aber keine vierradangetriebenen Kastenwägen mit hundert möglichen Ausbaustufen. Pimp my UAZ. Uli zeigte mir einst ein Video, in dem gelangweilte Sibirier sogar einen Raupenantriebuntersatz für einen UAZ entwickelt hatten. Der UAZ Verkäufer hatte in einem Punkt jedoch Recht. Die Qualität der Autos war das Gegenteil der Qualität des Konzeptes, das dahintersteckte. Denn die Verarbeitung der gutdurchdachten Nutzfahrzeuge war katastrophal. Ulis Plan war es diesen Nachteil durch eine Komplettüberarbeitung wieder auszugleichen.
Auch sollte es bei Fahrten durch den Großteil russisch beeinflusster Länder Asiens kein Problem dabei geben Ersatzteile aufzutreiben.
Nun war es jedoch ein Problem, da wirtschaftlich durch die Sanktionen gegen Russland durch die Ukraine-Krise wieder der Eiserne Vorhang aufgebaut wurde. Einen Motor konnte man kaufen, aber nicht nach Deutschland schicken. Nur innerhalb Russlands war er zu bekommen, und dahin konnten wir mit unserem UAZ in seinem Zustand verständlicherweise nicht. Wir müssten also mit einem anderen Transporter mindestens bis nach Kaliningrad fahren, wo es wieder eine UAZ-Niederlassung gab. Das war keine Option für uns. Wir bedankten uns und verließen den Laden mit dunklen Gedanken, aber schönen Eindrücken von spannenden Teilen. Uli sollte später in Deutschland feststellen, dass man sich durchaus den Motor in Einzelteilen sehr wohl schicken lassen konnte.
Ich hatte ein paar Postkarten an die Heimgebliebenen zu schicken, was mir einfiel, als ich hier eine Post sah. Ich prügelte mir die russischen Worte für „Elf“, „Briefmarken“ und „Postkarten“ in den Kopf, um diese mit einem freundlich lächelnden „spaßiba“ der winzigen alten Dame vor die Füße zu werfen. Bedächtig mir in die Augen ansehend wiederholte Sie jedes einzelne Wort, was ich mit einem „da“ bestätigte. Dann begann ein ungeahnter Marathon. Sie kramte in Schubladen und holte unglaublich viele Bündel Marken heraus. Sie schrieb mir auf einen Zettel, dass jede Postkarte 35 Rubel an Marken brauchte, das also 11x. Ich hatte die Postkarten jedoch nicht bei mir. Scheinbar gab es aber keine 35-Rubel Marken. Auch keine 30-Rubel Marken. Auch keine 5 Rubel-Marken. Warum auch immer.
Die Lady begann jedenfalls mit dem Eifer einer Fließbandarbeiterin elf 20-Rubel-Marken, elf 10-Rubel-Marken, elf-1-Rubel-Marken und zweiundzwanzig 2-Rubel Marken auszuschneiden und mir einem großen Bündel in die Hand zu reichen.
Wir versuchten wieder ein gutes russisches Lokal aufzutreiben, doch diesen Tag wanderten für durch die Stadt und fanden nur Dönerbuden oder chinesische Restaurants. In einem abgeranzten Laden fanden wir endlich etwas Russisches, doch das Essen dort schmeckte so, wie das Innere des Restaurants aussah. Die Stadt hätte uns etwas besser verabschieden können, dachten wir uns – und die Stadt hörte. Im Schein der Nacht hatten wir wieder eine atemberaubende Kulisse, um wunderbare Fotos zu machen und mit guten Erinnerungen am in den Flieger zu steigen.