Am Morgen streunen wir wieder auf Nahrungssuche durch die Stadt. Wir suchen eine Pekaria, um feinsten frischen warmen Börek zu finden. Wir decken uns mit Essen ein und verlassen die Stadt schon wieder in Richtung Berge. Wir wollen zum höchsten Berg Bosniens, den Prenj. Eine kleine Straße führt in Serpentinen das Gebirge empor. Der kleine Ort Rujište, der eher saisonal von Skifahrern bewohnt zu sein scheint, liegt zu Füßen der Gipfel. Wir entscheiden uns zu einem Aussichtspunkt und weiter einen Abschnitt der Via Dinarica entlang zu laufen. Dieser Fernwanderweg zieht sich durch den ganzen Balkan und verspricht viel Abwechslung. Irgendwann möchte ich den auch mal ganz laufen.
Man muss sich zumindest vier Wochen dafür einplanen.
An den winzigen Skihütten aus dem Katalog vorbei steigen wir einen Hang hinauf. Nach ein paar Stunden geht es durch einen lichten Wald. Geröll liegt verstreut herum. Dazwischen hängen vereinzelt auffallende Absperrbänder mit grinsenden Totenschädeln darauf. Wir haben schon davon gehört, dass Bosnien noch einen beträchtlichen Teil Landminen als Kulturerbe in der Natur versteckt hält. Hier werden wir direkt damit konfrontiert. Wir sollten also darauf aufpassen, wo wir pinkeln gehen. Ansonsten sollten wir auf dem Weg bleiben.
Niemand begegnet uns außer einem Pärchen aus Polen, das ebenfalls einen kleinen Tagesausflug macht. Auch hier ist die Sommer-Saison vorbei.
Der Wald lichtet sich komplett und wir finden uns am Rande der Baumgrenze. Es ist warm und die Sonne lässt die Kiefern und Bergwiesen duften. Dies ist der schönste Teil des Weges.
Wir folgen ihm bis zu einer Hütte, wo wir rasten, essen und die Drone über uns kreisen lassen. Auf der Karte hat der Ort einen Namen, aber außer dem verlassenen Haus gibt es hier kein Gebäude. Wir finden etwas weiter den Weg entlang noch einen Brunnen, an dem ich mich mit kaltem, frischem Wasser versorge. Uwe und Chris trauen sich nicht aus der Quelle zu trinken.
Wir kommen zurück nach Rujište und beschließen in dem Gasthaus zu bleiben, in dem wir uns stärken. Die Aussicht auf die Berge bei Sonnenuntergang ist herrlich. Das angekündigte schlechte Wetter verzögert sich glücklicherweise weiter.
Der Hotelbetreiber nennt und einen Preis für ein Zimmer. Wir finden das Zimmer aber auch umgehend bei Bookings.com erheblich günstiger. Nach fünf Minuten kommt der Mann zu uns zurück und fragt, ob wir gerade das Zimmer gebucht haben. Wir grinsen und nicken. Er nimmt es uns aber nicht übel und gibt uns sogar ein größeres Zimmer, als wir gebucht haben. Außer uns ist sowieso niemand da.
Wir fordern unser Glück mit dem Wetter weiter heraus und begeben uns am nächsten Morgen zum Startpunkt des nächsten Wanderweges. Wir wollen dem kleinen Fluss Bijela durch ein Tal bis zu seiner Quelle folgen, die in einer engen Schlucht an einem Wasserfall beginnt.
Tatsächlich wäre es schön gewesen, wenn es in der letzten Zeit etwas geregnet hätte, da das Bachbett ausgetrocknet war. Wieder müssen wir Serpentinen erklimmen. Der Weg ist gesäumt von unzähligen Brombeersträuchern, deren Früchte prall in der Sonne glänzen und die Erwartung an eine süße Erfrischung zwischendurch auch einhalten.
Über das Geröll des Flussbettes, das uns die Hitze der Sonne unter unseren Füßen zurückwirft, kommen wir wieder in einen Wald. Dass wir seit langer Zeit wieder die ersten sind, die hier entlanglaufen, bemerken wir an der hohen Zahl an Spinnennetzen, die über den Weg gespannt sind. Ich muss stetig mit einem Stock vor uns her fuchteln, damit wir nicht versehentlich von Fäden und Spinnen überzogen werden. Aber auch Schlangen zischen vor unseren Füßen ins Dickicht.
Der Weg macht eine eindrucksvolle Wendung, im wahrsten Sinne des Wortes. Er führt unter einer gewaltigen Aushöhlung einer Bergwand entlang. Kurz danach müssen wir über große Steine im Flussbett klettern. Nun führt der Bach auch endlich Wasser und uns bis zu der versprochenen Schlucht. Dort ist es vorbei mit trockenen Füßen. Der einzige Weg führt durch das strömende Wasser.
Der Canyon sieht fantastisch aus. Die Wände sind über die Zeit weich ausgewaschen. Wir müssen sehr abenteuerlich durch Untiefen und über große Findlinge klettern, um endlich bis zum Wasserfall vorzudringen. Ich warne Chris und Uwe vor Fehltritten. Lieber sollten wir langsam sein, denn die Folgen einer Verletzung wären unverhältnismäßig schlimmer. Wir sind schon vier Stunden unterwegs und haben noch den ganzen Rückweg vor uns.
Am Wasserfall angekommen sind wir erleichtert. Der Ort ist magisch. Und wir sind stolz uns soweit durchgekämpft zu haben, trotz der Herausforderungen und der Anstrengung. Ein paar epische Fotos sind die Belohnung für die Strapazen. Auf dem Weg zurück passiert es. Bei einem unvorsichtigen und unnötigen Sprung über eine Untiefe komme ich auf einem Stein auf und knicke mit dem Knöchel um. Der Schmerz schießt umgehend durch meinen ganzen Körper. Noch intensiver ärgere ich mich jedoch um meine Unachtsamkeit. Den Weg zurück muss ich humpeln. Wir sind alle erleichtert, als wir wieder den Wagen erreichen. Trotz allem möchten wir aber nach einer Verschnaufpause noch eines der kulturellen Höhepunkte erreichen: Das Derwisch-Kloster von Blagaj.