18. Februar 2007
Tagebucheintrag
Morgens um 8 treffen wir abmarschbereit unseren Fahrer Mohammad der Lobby des Hotels in der Filmstadt Ouarzazate. Wir haben noch nicht gefrühstückt, aber im Lokal nebenan gibt es frischen Kuchen zum Mitnehmen. Wir werfen uns jeder mit einem Stück bewaffnet in den Land Cruiser und los geht die Fahrt. Wir verlassen Oarzazate und durchqueren wieder die weite Ödnis, diesmal in die andere Richtung, wo wir uns nach und nach auf eins der umgebenden Plateaus hochschrauben. Zwischendurch sehen wir atemberaubende Täler und von Wind und Wetter geformte Schluchten.
Als wir das Plateau überquert haben kommen wir in das Tal des Drâa, was eine wirkliche Augenweide war. Das Tal ist eine einzige breite Oase; durch die Mitte sprudelt der breite, aber flache Fluss Drâa, der in der Sonne glitzert und drumherum wachsen hektarweit Dattelpalmen. Am Rand der Straße warten Händler , die den vorbeifahrenden Autos mit Datteln winken, um sie zu verkaufen.
Wir biegen von der Straße ab und fahren nun einen sandigen Weg durch die Palmen und vereinzelte Dörfer, wo uns die Menschen winken und die Kinder hinter dem Auto hinterherrennen.
Zwischendurch halten wir an, vertreten uns die Beine, machen Fotos und genießen die wunderbare Szenerie.
Die Leute hier sind ganz anders, als wir aus der Stadt gewohnt sind. Sie wollen nicht zwanghaft etwas verkaufen, sie sind eher schüchtern, aber sehr freundlich. Sie grüßen, und auch die Kinder wuseln um uns herum, aber nicht mit bettelnden Händen, sondern aus reiner Neugier.
Scheinbar gibt es irgendwo eine Hochzeit, da wir viele Leute in Tracht den Weg entlanglaufen sehen. Frauen und Männer gehen allerdings getrennt, letztere reiten auch auf Eseln. Ich frage spaßeshalber, was denn etwa der Preis für einen Esel ist. Der Fahrer antwortet, etwa 40 €. Und etwa fünf Esel sind ein Kamel. Interessante Kurse: statt ein Auto zu mieten hätte ich ein Kamel kaufen können!
Unser Fahrer macht sich den Spaß uns arabische Namen zu geben und tauft Su Couscous-Aisha und die Amerikanerin Becky Tajine-Fatima. Aus Chad wird Abdul und aus mir Hannafi. Im Gegenzug nennen wir ihn James.
Gegen Mittag machten wir Halt in einer kleine Idyllen unter Palmen voller vielen Berberzelte, die mit Teppichen und Sitzkissen ausgestattet sind. Wir werden begrüßt von einem Freund von Mohammad alias James namens „Take-Your-Time“ und in eins der Zelte geführt. Zuerst beginnen die beiden aus Spaß an zu singen und zu musizieren – James auf einer Trommel und unser Gastgeber auf einer „gitara“.
Dann überlassen sie uns selbst, um zusammen zu essen, während man uns erst Teller mit köstlichen getrockneten Datteln und danach einen riesige Teller mit Couscous und Gemüse aufträgt. Die Portionen sind gewaltig und äußerst lecker.
Wir kommen durch die Stadt Zagora, wo gerade ein Marathon stattfindet. Hier beginnt auch die berühmte Kamelroute nach Timbuktu, die momentan wegen dem Krieg mit dem nahen Algerien geschlossen ist. Dieser hatte vor vielen Jahren um einen vollkommen unwichtigen Streifen Wüste begonnen und ist bisher nie offiziell beendet worden.
An der Grenze herrscht ein hohes Militäraufgebot und die Grenzen werden für jedermann geschlossen gehalten. Kampfhandlungen gab es aber schon seit langer Zeit nicht mehr. Beruhigend, das wir jetzt genau dahin fahren.
Danach geht es durch die Karawanenstädte Tamegroute und Tagounite weiter Richtung Mhamid, der letzten Siedlung vor der Wüste. Hier versickert der Drâa im Sand. Wir fahren an der Stadt vorbei und werden ihr erst am kommenden Tag einen Besuch abstatten. Vorher müssen wir noch ein kleines Plateau überwinden und dann ist es soweit: Wir betreten die Wüste. Wir fahren von der Straße auf die Piste ab und James lenkt den Landcruiser geschickt durch den feinen Sand. Wenn auch der Wagen hin und wieder kurz stecken bleibt weiß er, wie er ihn schnell wieder hinausbekommt.
Vereinzelt sehen wir auch schon einen Berber mit einem Kamel und kommen schließlich zu einer kleinen Sammlung an Zelten an. Wir werden herzlich begrüßt und jedes Paar bekommt ein eigenes Zelt. Die Berber kommen hin und wieder im Jahr an diesen Ort nahe der Stadt Mhamid, um Waren zu tauschen und Geld durch Touristen zu verdienen.
Hier lernen wir auch einen verrückten Kanadier kennen, der einfach mal so daheim aufgebrochen war, in der Welt herumgereist ist und schließlich hier hängen blieb. Er wollte unbedingt ein Jahr bei den Berbern arbeiten, aber die gestatteten es nicht. Was blieb war, dass sie ihm anboten mit einem ihrer Leute und drei Kamelen eine zweiwöchige Tour durch die Dünen zu machen.
Wir ruhen ein wenig aus, dann sattelt man für uns die Kamele. Wir sitzen auf und es geht los im Gänsemarsch, angeführt vom Berber Hakim. Das Reiten auf den Wüstenschiffen geht einfacher als erwartet; es ist weder sehr unbequem, noch wird jemand von uns seekrank.
Etwa eine Dreiviertelstunde reiten wir, bis wir zu den höchsten Dünen der Gegend kommen. Hier können wir uns genüsslich in der Sahara austoben und den Sonnenuntergang über der Wüste genießen.
Als wir ins Lager zurückkehren ist es schon so gut wie dunkel. Man bereitet uns etwas zu essen vor, doch bis das fertig ist laden uns die Berber in ihr Zelt ein, wo sie bei Kerzenschein auf dem Boden im Kreis sitzen, sich unterhalten, musizieren mit gitaras und Blechschellen und dazu singen. „Elektrizität“ ist hier ebenso ein Fremdwort wie „sanitäre Einrichtungen“.
Danach gehen wir hinaus, um ein Lagerfeuer zu machen. In der Dunkelheit und ohne Mond sehe ich hier in der Wüste den gewaltigsten Sternenhimmel, den ich mir nicht einmal vorstellen konnte. Milliarden von Sternen sind mit bloßem Auge zu sehen, dicht an dicht, und nicht nur die Milchstraße zieht sich deutlich über den Himmel, es sind noch weitere Sternenhaufen deutlich erkennbar.
Als das Feuer brennt sitzen Su und ich noch zusammen mit Hakim, einem anderen Berber und James zusammen und rauchen Shisha. Der fremde Berber erzählt und wie ihr Leben bis noch vor kurzem aussah. Wie überall „auf dem Land“ war auch hier das Problem, dass man dort kein Geld verdient und da die jungen Leute in zum Studieren und um Arbeit zu finden in die Städte zogen mehr von der eigenen Kultur verloren ginge. Die Stämme sind jetzt darauf angewiesen Touristen einzuladen, um so etwas Geld für Wasser, Salz und Nahrung oder Sachen, die sich nicht eintauschen lassen, zu verdienen. Das gilt für die meisten Waren. So sitzen wir zusammen und unterhalten uns. Ein großartiger Tag geht zu Ende. Morgen geht es wieder in das wunderbare Tal des Drâa.