Wir wollen wieder nach Norden. Ganz nach Norden, was bedeutet, dass wir eine ganze Menge Kilometer abreißen müssen. Aber das Auto bereitet Probleme, mittlerweile schon eine stattliche Anzahl: ein defekter Reifendrucksensor, drei aufgerissene Reifen, eine loses Teil am Unterboden und seit kurzem lässt sich unser Wagen nicht abschließen. Immerhin versucht auch niemand unseren offenen Wagen zu plündern. Uns begegnet nirgends eine Form von Kriminalität, abgesehen von den kontinuierlichen Mordversuchen auf der Straße.
Ich umfahre Saranda und fahre über die Höhen die Küste entlang. Wir scheitern an einer Stelle daran zu einer schönen Bucht zu kommen, die wir auf der Karte ausmachen. Der Zugang ist mittlerweile durch eine Schranke geschützt und alles dahinter vermutlich im Besitz eines großherzigen Wohltäters mit zu vielen Mercedes.
Dafür kommen wir zu Fuß zu einem sehr alten, großteils verfallenen, orthodoxen Marienkloster auf einem nahen Berg. Niemand geht dorthin, wenn er gleichzeitig gerade an irgendeinem Strand oder Wasserloch sitzen könnte. Außer uns. Die kleine mittelalterliche Anlage gibt uns ein schönes Gefühl von vergessenen Tagen und der verpassten Idylle einer türkisenen Bucht.
Wir erkunden die Ruine. Das Innere der Kirche ist sehr dunkel; nur kleine Fenster lassen kleine Lichtstrahlen durch die staubige Luft die von durch Jahrhunderte an Kerzen schwarzverrußten Wände erhellen. Ein verdunkeltes Triptychon bildet den Altar und durch den Ruß kann man an den Wänden verblichene Fresken erkennen.
Rovena wird von einem Priester angesprochen, während wir die alten Mauern erkunden. Der alte Mann spürt tatsächlich, dass ihr eine schwere Last auf dem Herzen liegt. Sie hat vor uns auch nur ein wenig durchblicken davon, dass irgendeine ernste Sache bei ihrer Arbeit ihr große Sorgen bereitet. Rovena und der Priester unterhalten sich eine lange Zeit, während wir die Einsamkeit des Ortes genießen.
Irgendwann verabschiedet Rovena sich und wir folgen ihr zurück zum Wagen. Das Gespräch hat ihr sehr gut getan und wir merken in den folgenden Tagen, dass sie unbekümmerter ist. Wir wundern uns nur darüber, dass wir dachten, dass Rovena dem islamischen Bektaschi-Glauben anhängt.
Wir haben genug von den Problemen mit dem Auto, also wollen wir ein Neues. Wir machen Mittagspause, indem wir in irgendein Dorf abfahren. Es stellt sich heraus, dass wir einen Berg senkrecht hinauffahren müssen, um es zu erreichen. Dort telefoniere ich und verhandele mit dem Typen unserer Autovermietung einen neuen Wagen. Das Treffen soll in ein paar Stunden stattfinden. Ich bin erleichtert, dass sich bald etwas ändert.
In der Zwischenzeit bewundern wir das kleine Dorf, in dem wir durch Zufall gelandet sind. Wir haben eine grandiose Aussicht über das Land. Während wir wieder einen guten Mittagssalat zu uns nehmen beobachten wir, dass scheinbar alle Männer der Umgebung gemeinsam Backgammon spielen.