Der ungewohnt vertraute Kosovo



Wie immer ist auch unser Denken bestimmt von Vorurteilen. So auch über den Kosovo. Die Einreise in das Land verläuft vollkommen problemlos. Wie wie schon im Vorfeld erfahren haben ist auch die Einführung des Wagens kein Problem. Wir zeigen kurz den Pass und den Fahrzeugschein werden auch schon durchgewunken.

Man hält sich selbst ja stets für unglaublich unvoreingenommen, aber man ist vor sich selbst ein Lügner. Man hat immer Vorurteile, auch wenn man es vor anderen oder sich selbst nicht zugibt. So geht es mir mit dem Kosovo und immer wieder aufs Neue auch in anderen Ländern, wie z.B. Russland. Entweder hat man keine oder schlechte Assoziationen mit Ländern, über die man nur wenig weiß oder die häufig in schlechter Presse auftreten.


Per se ist die Republik Kosovo kein autonomes Land. Es hat zwar seine Unabhängigkeit im Jahr 2008 verkündet, was auch von 115 der 183 Ländern der Vereinten Nationen anerkannt wurde, doch nach wie vor ist der territoriale Status des Landes umstritten. Serbien beansprucht die Region in Folge der Auflösung Jugoslawiens und des Kosovokrieges für sich. Damit befindet sich der Kosovo offiziell weiterhin mit Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg-Karabach in der Gesellschaft nicht anerkannter autonomer Staaten

Wir fahren in den Kosovo hinein und ich erwarte eine unspektakuläre, von den zahllosen Kriegen zerstörte Landschaft. Hinter der Grenze befindet sich vorerst nur eine Landschaft aus Bergen und Feldern. Ich warte auf das Bild ausgebrannter Wracks von Panzern sowie Ruinen von Häusern, wie ich es in Berg-Karabach gesehen habe.

Unsere Fahrt setzt sich fort und wir erreichen hinter den Feldern die ersten Dörfer, als mir dämmert, dass die Landschaft, die in meinem Kopf starke Ähnlichkeit mit Steven Spielbergs „Private James Ryan“ hat, nicht mehr kommen wird. Die Straßen sind bei Weitem besser als in Albanien und der Verkehr ist entspannt. Die Dörfer sehen so frisch und sauber aus, dass jeder Schwabe vor Neid erblassen würde. Die Dörfer sehen sogar aus wie im “Ländle” und auf den Straßen führt tatsächlich jedes zweite Auto ein Esslinger oder Stuttgarter Kennzeichen. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet..



Im Kosovo zahlt man mit Euro. Das Land ist zwar kein Teil der europäischen Währungsunion, das hindert die Kosovaren jedoch nicht daran den Euro als sicheres Zahlungsmittel in ihrem Land zu verwenden.

Die Hügel schwingen sich in sanften Kurven in üppigem Grün im Sichtfeld. Auch von der Kargheit Albaniens ist hier nichts zu spüren, die Vegetation ist ganz und gar mitteleuropäisch.

Auf einer Straße sehen wir vor uns eine Kuh, welche die Fahrbahn blockiert, indem sie sich in kleinem Radius stetig um sich selbst dreht. Ich bemerke, dass sich ein Strick um ihren Hals um ihren Fuß gewickelt hat. Ich zögere nicht lange und schneide sie mit einem Messer frei, worauf die Kuh entspannt die Straße heruntertrottet.

Wir fahren durch weitere Dörfer und bewundern die deutsche Hausbaukunst. An vielen Häusern fehlt noch der Putz und man merkt, wie neu die Gebäude sind. Trotzdem wirkt es wie in einem spießigen Neubaugebiet von Leonberg. Die Autos haben auch nicht die gewohnten Schäden wie Kratzer, Dellen, Schrammen, Beulen oder fehlende Motorhauben, wie in Albanien.

Erst in der Stadt Peja kommen wir in dichteren Verkehr. Doch verrückt ist es hier nicht und es kommen uns auch keine Geisterfahrer in der Straßenmitte entgegen.

Als wir wieder nach einer Weile das Grünen erreichen stellen wir fest, dass sehr viele Kühe das “Problem” haben, dass ihre Hälse mit den Füßen zusammengebunden sind. Uns erschleicht der wage Verdacht, dass dies zuerst doch kein unglücklicher Zufall, sondern eiskalte Absicht war. Uns läuft der kalte Angstschweiß den Rücken herunter bei dem Gedanken, dass wir der kosovo-albanischen Mafia nun eine Kuh schulden, und geben Gas. Ach ja, die Vorurteile, man kann sie nicht ausrotten…

Wir fahren wieder die Berge in Richtung Montenegro hinauf und machen Halt in einem Café. Wir trinken einen Espresso zu deutschen Preisen und genießen die Aussicht über die Hälfte des ganzen Kosovo. Zum ersten Mal auf unserer Reise beginnt es leicht an zu regnen und wir denken uns, dass selbst das Wetter des Landes aus Deutschland importiert wurde.



Die Ausreise gestaltet sich als schwierig. Es ist nicht viel los und vielleicht ist den Leuten hier langweilig. Oder wir sehen sehr verdächtig aus. Die Grenzbeamten winken uns heraus und führen uns mit dem Wagen in eine Halle. Scheinbar müssen drei Typen im Auto irgendetwas schmuggeln. Fünf Leute machen sich mit ernstem Blick daran unser Auto auseinanderzunehmen. Wir werden gefilzt, unsere Taschen begutachtet und Sonden in jede Ritze des Autos hineingeschoben, während wir entspannt mit den Händen in den Hosentaschen daneben stehen und uns über den Eifer der kosovarischen Polizisten amüsieren.

Nach einer halben Stunde haben die Beamten immer noch keine Drogen, Waffen oder Nuklearsprengköpfe gefunden und die Männer sehen sich ratlos an. Immerhin müssen wir irgendeinen Dreck am Stecken haben.

Einem Beamten fallen die aufgenähten Flaggen auf meinem Rucksack auf und er möchte wissen, ob ich jedes dieser Länder auch bereist habe. Ich bejahe und die anderen Polizisten kommen hinzu, um nun ein Ratespiel zu beginnen, welches Land zu welcher Flagge gehört. Und bei jedem Land kommt wieder die Frage, ob ich da schon war. Schließlich wundert sich einer der Männer, wo denn die Flagge des Kosovo ist. Ich erwidere, dass ich diese Flagge erst noch aufnähen muss, da ich ja gerade erst hier war, in diesem besonders wunderbaren Land.

Zufrieden schließen die Beamten unsere Taschen und helfen uns den ganzen Wagen wieder mustergültig in den Status des vorherigen Chaos zurückzubringen, schütteln uns die Hände und wünschen uns eine schöne weitere Reise.