Die Schatten von Armenien

Zurück zu Das Land der Aprikosen

29.-30. September

Hinter dem Pass wird das Wetter schlagartig schlecht. Es ist kalt und regnerisch. Wir fahren an der halbautonomen Provinz Bergkarabach entlang und müssen aufpassen nicht aus Versehen dort hinein zu fahren.

Offiziell gehört das Gebiet zu Aserbaidschan, aber kulturell und durch die deutliche Mehrheit der dort lebenden Armeniern gibt es dort nach wie vor häufig Schusswechsel. Der Konflikt zwischen den beiden Ländern um zahlreiche Gebiete brennt nach wie vor heiß.



Nachdem wir ein Dorf durchqueren versperrt uns plötzlich ein Laster den Weg. Ein anderer alter Laster scheint in den Abgrund gefahren zu sein und nun erfolgt die Bergung. Ein Kranfahrzeug erscheint und die männliche Hälfte des Dorfes scheint ebenfalls da zu sein.

Das Fahrzeug wird langsam herauf gezogen und zeigt sich in zutiefst zerknicktem Zustand. Der Fahrer müsste einen enormen Schutzengel gehabt haben wenn er das überlebt hat.



Wir campieren in Sichtweite zur Grenze zum Iran. Die Berge, die vor uns aufragen, gehören bereits zur Islamischen Republik.

Wir trinken den Cognac, doch ob es daran liegt können wir nicht sagen – nachts ist ein gruseliges Geheule zu hören. Es klingt als hätte sich ein Kannibalenstamm zum Fest verabredet. Es sind viele Wesen, die miteinander heulen und fast wie Menschen klangen.

Es gibt Pausen und dann ertönen die singenden Stimmen aus einer anderen Richtung. Aber zumindest will niemand über uns herfallen.

Am nächsten Tag folgen wir der Grenze zum Iran, die durch einen Wildwasserfluss, einen sehr hohen Stacheldrahtzaun und Grenztürme bewacht wird.



Mit der gleichen Vorsicht vermeiden wir Bergkarabach und andere En- und Exklaven. Ein großer Fleck, durch den unsere Straße führt, soll laut Google maps Teil von Aserbaidschan sein. Doch davon ist nichts zu sehen und wir passieren das Gebiet ohne Störung. Wir kommen über einen weiteren Pass und finden am Straßenrand eine alte Karawanserei der Seidenstraße. Auf einem vergilbten Schild lesen wir, dass diese antike Herberge im Mittelalter des 12. Jahrhunderts besonders florierte.

Das Bauwerk sieht wirklich alt aus, aber es hat die Jahrhundert überraschend gut überstanden. Man kann immer noch den Ruß der Fackeln an den Felsen erkennen und die Stellen, die für das Vieh und die für die Menschen gedacht waren. Es braucht gar nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, wie man nach einer strapaziösen Reise dort empfangen wird, wie einen die anderen Gäste beäugen, die schon am Feuer sitzen und das teure Essen genießen.


Nette Händler auf dem Weg versorgen uns wieder mit Honig und Aprikosen.




Wir sind auf dem Weg zum Sewansee, dem größten Gewässers Armeniens. Wir übernachten mit Blick auf das Wasser.

Die Kaltfront hat auch den Rest des Landes erreicht und wir machen es uns im Wagen gemütlich, bevor wir das Zelt aufschlagen.




Wir nähern uns wieder der Grenze zu Georgien. Bald ist unsere Reise leider zu Ende und wir müssen zurück nach Tiflis. Unsere Straße führt ebenfalls wieder dicht an Aserbaidschan vorbei, und die Kulisse ist erschreckend. Ein ganzer Landstrich ist auf beiden Seiten der Grenze schwarz verbrannt. Gras und Bäume sind verkohlt und aus verlassenen Häusern gähnen riesige Löcher. Wir bekommen beim Anblick einen trockenen Mund und versuchen hier schnell zu verschwinden.

Noch immer sind hier viele Soldaten und Militärfahrzeuge zu sehen. So sieht Krieg aus. Es ist eine Fratze des Entsetzens. Wir erreichen Tiflis am späten Nachmittag und nutzen die Zeit, um noch einmal in die Stadt zu fahren und das georgische Essen zu genießen. Wir zelten nahe dem Flughafen und treten voller Erinnerungen die Heimreise an.